* 27. Oktober 1907 in Cannstatt; † 23. Juni 1981 in Stuttgart
Willi Bleicher war Widerstandskämpfer und setzte sich mithilfe politischer Arbeit für die Interessen
von Arbeiter:innen ein. Bis zu seinem Lebensende warnte er vor dem Faschismus und hielt die
Einheit der Arbeiterschaft als zentral im Kampf gegen die Nazibewegung.
Als Teil einer Arbeiterfamilie erlebte er schon in jungen Jahren existenzielle Not. Obwohl er die
Schule als sehr autoritär wahrnahm, war Bildung für ihn sehr wichtig. Deshalb gründete er in
seinem kommunistischen Jugendverband einen Lesekreis zur Geschichte der
Arbeiter:innenbewegung.
Willi Bleicher machte zuerst eine Bäckerlehre, und trat dafür in die Gewerkschaft der Nahrungsund
Genussmittelarbeiter ein. Nachdem er kein Bäcker mehr sein wollte, arbeitete er kurzzeitig bei
Daimler-Benz und trat dafür in den Deutschen Metallarbeiter-Verband ein.
Auch in politischen Verbänden war er Mitglied, zuerst in der KJVD, der Jugendorganisation der
KPD. Nach seinem Ausschluss aus der Organisation trat er der Opposition KJO bei, in welcher er
Organisationsleiter war.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten emigrierte er deshalb in die Schweiz, dann nach
Frankreich. Er kehrte schnell wieder zurück nach Stuttgart, wurde Teil der hauptsächlich
kommunistischen Widerstandsgruppe „Neckarland“. Spitzel verrieten ihn und er wurde im Januar
1936 von der Gestapo verhaftet. Wegen angeblicher Vorbereitung zum Hochverrat wurde er zu
zweieinhalb Jahren Haft in Ulm verurteilt. Er wurde aber nach Ende der Haftzeit nicht freigelassen
und nach einer Zeit im „Schutzhaftlager“ Welzheim ins KZ Buchenwald deportiert.
Auch während dieser Zeit wurde er Teil des Widerstands im Lager, organisierte Revolten und
Gedenkfeiern unter den Häftlingen und half Mitgefangenen. Im KZ wurde er später von der SS zum
Kapo in der Effektenkammer ernannt, in welcher das Eigentum der Häftlinge aufbewahrt wurde.
Jahre nach dem Kriegsende erlangt Willi Bleicher auch dafür Aufmerksamkeit, dass er ein jüdisches
Kind (Stefan Jerzy Zweig) monatelang in einer Kleiderkammer verstecken und damit retten konnte.
Trotz aller Vorsicht wurde eine Häftlingsfeier bekannt, aber unter Folter gab Bleicher nicht nach
und nannte keine anderen Namen. Er wurde ins Gefängnis nach Ichtershausen verlegt. In den
letzten Kriegswochen werden die Gefangenen auf einen Todesmarsch ins Erzgebirge geschickt, den
nur wenige überlebte.
Willi Bleicher überlebte die Jahre im Gefängnis nur aufgrund der Solidarität unter den Häftlingen,
ihre „Hilfsbereitschaft bis zur Selbstaufopferung“ vergaß er nie.
In der Nachkriegszeit setzte er sich für den Neuaufbau einer demokratischen
Gewerkschaftsbewegung ein. Willi Bleicher wurde 1948 zum Vorstand der IG Metall Baden-
Württemberg gewählt, 1950 aber mit zwei anderen Kommunisten wieder herausgedrängt. Im selben
Jahr trat er auch aus der KPD aus, in welcher er seit 1945 wieder Mitglied war. Jahre später wurde
er stattdessen Mitglied der SPD. Er übernahm auch weiterhin Verantwortungspositionen in der IG
Metall, so war er von 1959 bis 1972 Leiter des Bezirks Baden-Württemberg.
Insbesondere führte er zwei große und erfolgreiche Arbeitskämpfe um Tariferhöhungen (1963 und
1971) an, und stellte sich dabei gegen den Daimler-Manager Hanns Martin Schleyer, der ehemals
SS-Untersturmführer gewesen war.
Zentral waren für ihn dabei die Interessen der Arbeiter:innen, aber vor allem die Einheit der
Gewerkschaft und der Arbeiter:innenbewegung. Darin sah er das wichtigste Ziel im Kampf gegen
den Faschismus und den Wiederaufstieg der Nazis.
Noch bis zu seinem Tod mahnte Willi Bleicher immer wieder zur Wachsamkeit gegenüber dem
Faschismus.
„Du sollst dich nie vor einem lebenden Menschen bücken.“ - Willi Bleicher
„Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.“ - Bertolt Brecht
„Mir war es lieber, zehn Pfennige mit Streik durchzusetzen, als elf Pfennige am Verhandlungstisch“
Die Einheit der Gewerkschaft war ihm heilig
Für Bleicher war diese Spaltung der Arbeiterbewegung ein großes Trauma, er sah in ihr die
Ursache, dass Hitler und seine Nationalsozialisten siegen konnten. Dass sich die Arbeiterschaft, vor
allem die Gewerkschaften, nie mehr spalten lassen sollten, war daher für ihn auch eine zentrale
Schlussfolgerung aus seinen eigenen Erfahrungen. Die gewerkschaftliche Einheit war ihm heilig,
der "demokratische Zentralismus" – dafür kämpfte er als Funktionär der IG Metall, deren
Bezirksleiter für Baden-Württemberg er von 1959 bis 1972 war.
Etwa bei einer Rede vor Metallern im Oktober 1971 in Heilbronn. Es ist Arbeitskampf, die
Metallunternehmer, angeführt von Hanns-Martin Schleyer, legen ein aus seiner Sicht dürftiges
Angebot vor, und Bleicher schimpft: "Es gab keine Tarifbewegung bisher, an deren Beginn nicht
das Bangemachen der Unternehmer gestanden hätte. Unsere Lohn- und Gehaltsforderungen – so
minimal sie zuweilen waren – gefährdeten angeblich den Export und damit die Arbeitsplätze, waren
schuld an der Preisentwicklung. Und dennoch: Diese Wirtschaft wuchs und wuchs von
Lohnbewegung zu Lohnbewegung, und die Millionäre wurden nicht weniger."
Oder als er 1978 bei einer Rede in Esterwegen, wo eines der Emslandlager der Nazis stand, warnt:
"Liebe Freunde, der Faschismus ist nicht tot. Sie marschieren wieder, besudeln die Wände mit
Hakenkreuzen, halten ihre Kongresse ab, und die Justiz ist wieder auf dem rechten Auge blind, wie
eh und je, und um so hellsehender auf dem linken."
Wenn es gegen rechts geht, kritisiert Bleicher damals besonders oft die CSU und deren damaligen
Chef Franz-Josef Strauß. Die Zeiten ändern sich, könnte man denken. Er kritisiert Strauß in einem
Interview 1979 etwa deswegen, weil dieser im Herbst 1979 eine Kampagne begonnen hat, in der er
unter anderem behauptete, die Nazis seien "in erster Linie Sozialisten" gewesen. Da fällt einem
dann Alice Weidel ein – vielleicht ändern sich die Zeiten doch nicht so sehr.
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