Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Kunstinteressierte,
herzliche Einladung zur ersten Ausstellungseröffnung des noch jungen Jahres in den Galerieräumen der Ev. Tagungsstätte Löwenstein am Sonntag, 23. Februar 2025 um 14.30 Uhr! Der fabelhafte Waiblinger Maler Jan F. Welker zeigt
“Die Kraft des Blicks” - Bilder von Verantwortung und Zuversicht
Neben einer Einführungsrede mit sehr persönlichem Bezug gibt es wieder einen Sektempfang mit Fingerfood und der Cafébereich lädt nach dem Rundgang durch die Ausstellung zum weiteren geselligen Verweilen ein. Für die musikalische Umrahmung, bewusst abgestimmt auf die Ausstellungsinhalte, konnten wir dieses Mal den wunderbaren Musiker Jonas Birthelmer (Sänger/Songschreiber der deutschen Band Jona Bird) gewinnen. Ich selbst freue mich schon sehr auf die Veranstaltung und hoffe, Sie/euch und Ihre/eure Begleitung bei diesem inspirierenden kulturellen Event begrüßen zu dürfen! Bis dahin verbleibe ich mit herzlichen Grüßen,
Wolfgang Irg
Audioguide zur Ausstellung 15 min
Meine Damen und Herren,
vielen Dank Frau Bachteler, dass Sie diese Ausstellung an einem so wunderbaren Ort wie der Galerie der Evangelischen Tagungsstätte Löwenstein ermöglichen. Vielen Dank auch an Wolfgang Irg, dem Kurator der Ausstellung für die einleitenden Worte. Vielen Dank aber vor allem an Sie alle, dass Sie heute gekommen sind. Sie wundern sich vielleicht warum ich heute zu Ihnen spreche. Nun – ehrlich gesagt – damit hätte ich vor einigen Wochen auch nicht gerechnet. Es war für mich überraschend, als mich Jan Welker kurz vor Weihnachten darum bat. Denn weder bin ich Galerist oder Herausgeber eines Kunst-Magazins – und einen kulturwissenschaftlichen Titel – den vielleicht Personen, die üblicherweise Ausstellungen eröffnen – einen solchen Titel trage ich auch nicht. Aber ich bin ein Dilettant. Falls Sie jetzt enttäuscht sein sollten, möchte ich kurz aufklären, dass „dilettare“ aus dem Italienischen kommt und einen „Liebhaber einer Kunst oder Wissenschaft meint, der sich ohne schulmäßige Ausbildung damit beschäftigt, als Amateur oder Laie eine Sache um ihrer selbst willen auszuüben, also aus Interesse, Vergnügen oder Leidenschaft und sich somit von einem Fachmann unterscheidet“. Jan kenne ich schon lange und das mit zunehmender Intensität und Freude. Für mich ist Jan ein energie- und wertgeladener Charismaten, der engagiert und erfolgreich Wege findet, seine Kunst zu präsentieren. Ein begeisterter Künstler durch und durch - mit Herz, Hand und Verstand. Jan und ich treffen uns in lockeren Zeitabständen und in erweiterter vierköpfiger Runde in seinem Atelier zum Philosophieren. Wein, Wurst und Käse sind auch dabei.
Kaum unterschiedlicher als die vier Himmelsrichtungen, sind auch die beruflichen Herkünfte von uns vier Diskutanten: ein Künstler, ein Automobilkonzern-Manager, ein Ministerialbeamter und ein Theologe. Die Perspektiven sind bunt, der Umgang manchmal reibend aber immer respektvoll. Eine Mischung, die das Zuhören trainiert und das Auge schult. Manchmal steht Jan mitten in unserer Diskussion plötzlich auf, schnappt sich den Pinsel, geht zu dem noch unfertigen Bild auf der Staffelei und führt ganz spontan seine künstlerische Arbeit mit schwungvoller Hand fort. Es hat für uns Sitzenbleibende den Anschein, als würde unser Gespräch plötzlich irgendwie „sichtbar“, als würden unser Austausch unsere Gedanken in das Bild wandern, als würden WORTE zum BILD mutieren. Zugegeben, lediglich ein Verdacht, dem nachzugehen sich aber lohnen könnte. Nun, funktioniert es vielleicht auch in die umgekehrte Richtung – also vom BILD zum WORT? Das würde ich nun gerne versuchen und ich hoffe, Sie erlauben mir dieses Wagnis. Danke daher auch an Dich Jan, dass Du den Mut hattest, mich um etwas zu bitten, von dem Du keine Ahnung haben konntest, was nun auf Dich zukommt. Die Ausstellung knüpft zeitlich an die kürzlich zu Ende gegangene große Ausstellung von Jan Welker mit dem Titel „Licht. Schatten. Mensch.“ im Stuttgarter Theaterhaus an. Die Löwensteiner Ausstellung nun trägt den Titel „Die Kraft des Blicks – Bilder von Verantwortung und Zuversicht“. Wieder drei kraftvolle Begriffe hinter denen Jan Welker rund vierzig, meist großformatige Bilder - versammelt hat. Schwerpunkt bilden Portraits deutscher, niederländischer, französischer und dänischer Widerstandskämpfer und –kämpferinnen gegen Nazideutschland. Dazwischen gesellen sich prominente Kulturschaffende der letzten Jahrzehnte, moderne Widerständler, tanzende Jugendliche, Kinder am Strand, und ein uriger Waiblinger Zeitgenosse. Jan Welker hat die Ausstellung sorgfältig komponiert. Er hat dabei die Räumlichkeiten hier in Löwenstein angenommen und aus ihnen besondere Begegnungsräume geschaffen.
So hat er NS-Widerstandskämpfer wie z. B. Sophie Scholl, Daniel Trocmé, Dietrich Bonhoeffer, Willi Bleicher, Else Ury, Karin Friedrich und Arnold Douwes neben Ikonen der Kultur-Moderne wie Klaus Kinski, Romy Schneider, Rio Reiser, Nikolas Ofczarek oder die junge Billie Eilish platziert und so Möglichkeiten für eine Ressonanz geschaffen. Jan Welker spannt so zweifelsohne einen ungewöhnlichen Bogen, aus dem die spürbare Kraft der vielen Blicke den Besucher nicht nur aus verschiedenen Richtungen, sondern auch von unterschiedlichen Augenhöhen aus, erreicht. Diese Oppositionen schaffen eine - in der Kunst häufig leichtfertig erwähnte, hier aber unmittelbar spürbare Spannung. Genau aus der Spannung des Nebeneinander-Stellens erwächst bewusst die Einladung an den Betrachter, sich den ihm unbekannten Persönlichkeiten zuzuwenden. Eine großartige Idee, nämlich Zugang durch Zuwendung zu schaffen. Jan Welker´s Bilder schweigen nicht, aber sie schreien uns auch nicht an. Sie tolerieren ein rasches Vorbeischlendern kaum – sie fassen uns mit der Kraft der der vielen Blicke an, sie konfrontieren uns, laden uns zur Auseinandersetzung ein, ohne uns dabei in die Enge zu treiben. Ja die Bilder von Jan Welker klagen auch über Leid, aber ohne uns dabei an-zuklagen. Sie fordern uns - ohne uns zu überfordern, denn sie erlauben sich und uns eine Annäherung, die wir zulassen können. Die Kraft der Blicke entsteht größtenteils aus fotografischen Quellen. Diese liefern Jan Welker aber lediglich den geometrischen und perspektivischen Rahmen. Seine Kunst entfaltet sich aus dem austariertem Zusammenspiel von dosiertem Farbeinsatz, couragiertem Pinselstrich und der kalkulierten Wirkung von Licht- und Schatten. So erheben sich die Werke von Jan Welker aus der puren Ablichtung - sie durchlaufen einen Gestaltungsprozess nach seinen Kriterien und Maßstäben. Am Ende dieses Prozesses belohnen die Werke den Betrachter mit einer Persönlichkeit des gereiften Unikats.
Zwei Bilder möchte ich stellvertretend herausgreifen und Ihnen ein paar Beobachtungen und Gedanken dazu anbieten: Das Bild von Fiona Apple, einer heute 47 jährigen amerikanischen Sängerin, die Gewalterfahrungen in ihrer Kindheit durchlitt und psychotherapeutisch verarbeiten musste, fasziniert und berührt mich besonders. Für mich ist das Bild ein faszinierendes Beispiel für die eben erwähnte Wandlung – der Wandlung von der Fotografie zum Bild – gewissermaßen von der Raupe zum Schmetterling. Ein reduzierter, fast asketischer Einsatz von schwarz, weiß und beige limitieren ein leises Farbmilieu. Der größte Teil des Bildes mit der Frisur, dem angedeutetem Oberkörper ist detailarm gehalten und lenkt nicht von dem ab, worauf es Jan Welker hier ankommt. Nämlich Gesicht und Mimik. Den feinen Pinsel lediglich auf die Facie beschränkt, entsteht eine ergreifende Fokussierung auf Augen und Blick. Dieser Blick ist zwar nicht auf den Betrachter gerichtet, dennoch lässt er ihn nicht los. Der Blick schweift ins Unendliche, - ist nachdenklich, - möglicherweise erinnert sie sich auch an etwas. Er ist klar und wirkt fast entspannt. Jan Welker lässt abschließend die Schwerkraft wirken und etwas Farbe die Leinwand herunter laufen. Es scheint, als würden so Tränen über die Wangen laufen. Die Gefühle, die Tränen haben das letzte Wort, denn sie übermalen sogar den eigentlich finalen Pinselstrich.
Noch zu einem zweiten Bild möchte ich meine persönliche Betrachtung offerieren. Es handelt sich um das Portrait des niederländischen NS-Widerständlers Arnold Douwes. Arnold Douwes, 1906 geboren, Sohn eines Pastors, ein eigenwilliger junger Mann, wohl dreimal von der Schule geflogen, rastloser Abenteurer, besaß 1940 beim Einmarsch der Deutschen nicht mehr als ein Fahrrad. Mit diesem verteilte er Kinder von Geflüchteten, vom Bahnhof in Nieuwlande auf Gastfamilien in der bäuerlichen Gegend. Douwes führte ein verschlüsseltes Tagebuch über die geretteten Menschen, dass er in 35 Notizbüchern aufgeteilt in Marmeladengläsern versteckte. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen wurde er im Dezember 1944 verhaftet und wartete im Gefängnis auf seine Hinrichtung. In einer gewagten Aktion der Untergrundbewegung wurde er gerettet und tauchte dann bis zur Befreiung unter. Nach dem Krieg heiratete er Jet Reichenberger, eine der von ihm geretteten Frauen und lebte mit seinen drei Töchtern in Israel. Am Ende seines Lebens kehrte er in die Niederlande zurück und starb 1999 mit 93 Jahren. Schätzungsweise 500 Juden darunter etwa 100 Kindern verhalf Douwes zur Rettung. Anders als das farblich „leise“ Bild von Fiona APPLE, wirkt das Bild des 82-jährigen Arnold Douwes dagegen fast wie ein Paukenschlag. Douwes ist in einem schrill leuchtenden roten Pullover mit einem mehrfarbigen Brustring detailreich dargestellt. Sein ins Licht gestelltes Gesicht kontrastiert prominent vor dem schwarz-braunen Hintergrund. Die Gesichtszüge zeigen die Spuren eines langen und stürmischen Lebens. Keine Falte, keine Furche, keine Narbe wird von Jan Welker kaschiert, sondern eher hervorgehoben. So, als hätten jede von ihnen etwas mit Douwes Gesicht gemacht - Einprägungen und Überbleibsel der vielen Rettungsaktionen? Ganz im Gegensatz zu dem vom Alter gezeichneten Antlitz, wirkt der fesselnde Blick der leuchtend blauen Augen geradezu frisch und jung. Weit geöffnet, hellwach, keine Spur von Altersblässe fixieren die Augen tatendurstig den Betrachter, als wollten sie vielleicht sagen: Du auch – tu was?
Haben wir es hier mit einer politischen Ausstellung zu tun? Insofern wir Politik auch als Teilnahme an der Gestaltung unseres Gemeinwesens verstehen, ist diese Ausstellung ohne Zweifel auch eine politische. Aber auch einem weiteren Grund ist diese Ausstellung eine politische. Denn vor genau einem Monat jährte sich zum 80. Mal die Befreiung des Konzentrationslagers Ausschwitz und in wenigen Wochen begehen wir am 8. Mai den 80. Tag der Befreiung von Krieg und Nazideutschland. Gut 60 dieser 80 Jahre habe ich, haben wir alle hier in Frieden verleben dürfen. Welche ein Geschenk - nämlich glückliches Mitglied der ersten „Nur-Friedens-und-Immer-Aufwärts-Generation“ sein zu dürfen. Ein glücklicher und - persönlich eher unverdienter - Zustand, der vor allem dank größter Leidens- und Opferbereitschaften anderer möglich wurde. In meiner Schulzeit wurde das Thema Nationalsozialismus vielseitig und vielfältig beleuchtet. Es führte bei all meinen Mitschülern und bei mir zur eindeutigen Gewissheit „So etwas kann es nie wieder geben“. Geradezu unerträglich ist es, wahrnehmen zu müssen - und heute nach 18.00 Uhr vermutlich bestätigt zu bekommen, dass eine viel zu große Zahl an Menschen, offenbar nur erbärmliche Lehren aus der deutschen Geschichte gezogen hat. Deshalb ist es wichtiger denn je, Farbe zu bekennen. Im wahrsten Sinne des Wortes leistet dies der Maler Jan Welker. Er stellt Bilder zum Widerstand, Mut und Verantwortung in das Zentrum dieser Ausstellung. Jan Welker bekennt Farbe.
Mit der Verabschiedung unseres wichtigsten politischen Verbündeten aus der unsererseits wohl als unzerstörbar geglaubten Wertegemeinschaft, braucht Europa angesichts gnaden- und rechtlosem Expansionsbestreben imperialistischer Großmächte östlich und leider auch westlich von uns, neue Antworten. Wir sind aufgefordert Verantwortung zu tragen. Und eine mit enormer Tragweite und unter enormen Zeitdruck. Eine Antwort-Suche, auf die uns die Protagonisten dieser Ausstellung aufmerksam machen. Eine Antwort-Suche auf die sich diese mutigen Menschen vor über 80 Jahren ebenfalls einlassen mussten, dazu noch mit der Überlebensangst im Nacken. Sollte uns das nicht Zuversicht geben, auch in der heutigen Zeit gute Antworten finden zu können. Zuversicht, die getragen wird vom Wissen, dass sich letztlich immer der Freiheitswille durchsetzen wird und Menschlichkeit über die Barbarei obsiegt. Denn auch diesen Hinweis geben die Bilder von Jan Welker: Kennzeichen des Menschseins ist es den Humanisten in uns einerseits und die Bestie in uns andererseits ausbalancieren zu müssen und zu können. Zuversicht ist ein Gemeinschaftswerk, sie entspringt aus dem Austausch miteinander in einer großen Gemeinschaft.
Auch wenn es eine Vernissage ist, die Bilder sind gut getrocknet und freuen sich auf die Begegnung mit Ihnen. Nähern Sie sich – ich wünsche Ihnen eine reiche Gedankenernte. Ach - und an alle, die es noch nicht getan haben: Gehen Sie danach unbedingt noch wählen!
Vielen Dank.
Rainer Carius